Vielfältige Praxis, interessierte Fragen, lebhafte Diskussionen

Projekt Alter und Trauma zu Gast beim 9. Paritätischen Thementag Offene Seniorenarbeit

In der offenen Seniorenarbeit sind die Folgen traumatischer Lebenserfahrungen im Alter bislang noch selten ein Thema. Das Thema scheint vielen zu groß, zu schwer und der Umgang damit nur Traumaexpertinnen -und experten möglich. Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfuhren beim Paritätischen Thementag Offene Seniorenarbeit in Bochum: Auch sie können verstehen und handeln.

Am Beispiel der Frage, wie man traumatisierten Menschen Trost spenden kann, wurde dies deutlich. Man muss keine Traumatherapeutin sein, um zu unterstützen. Es kann reichen, jemanden in den Arm zu nehmen, zuzuhören, auch mal zu schweigen und nachzufragen ohne mögliche Grenzen zu verletzen.

Die zweite Botschaft schließt daran an: Empathie und Verständnis bedeutet nicht, die individuelle Lebens- oder Leidensgeschichte in allen Einzelheiten zu erfragen. Viel wichtiger ist, historisches Wissen mitzubringen und so das Signal geben zu können: „Ich interessiere mich für das, was viele damals an Gewalt und Not erlebt haben und kann mir vorstellen, dass einen das nicht loslässt.“

Beeindruckend war die Vielfalt in der Teilnehmenden-Runde von der Ehrenamtlichen aus dem Seniorenkreis, der Mitarbeiterin in einem Nachbarschaftsheim, Vertreterinnen schwul-lesbischer Seniorenarbeit, ASB und PariSozial. Entsprechend breit war das Spektrum der Fragen und Impulse an das Projekt Alter und Trauma: Was muss ich wissen für meine Arbeit mit älteren Migranten? Was tun, wenn Opfer und Täter unter einem Dach zusammentreffen? Können Frauen sich nur Frauen öffnen und was brauchen Männer?

In der Nachmittagsrunde mit dem Thema „Sexualisierte Gewalt im Leben älterer und alter Frauen“ wurde das Gehörte noch einmal aus anderem Blickwinkel vertieft. Historische Entwicklungen, Beispiel Frauenbewegung, beeinflussen die Wahrnehmung und den Umgang mit traumatisierenden Erfahrungen. In den 50er Jahren galt Vergewaltigung noch als Schande. Erst in den 70er Jahren wuchs das Verständnis, dass Opfer Parteilichkeit brauchen. Selbsthilfe und Therapie wurden selbstverständlicher. Heute wiederum würdigt man jedoch auch die Bewältigungsversuche der Mütter und Großmütter, die trotz sexualisierter Gewalterfahrungen ihr Leben über viele Jahre meisterten.

Zurück