Bombennächte und Kinderlandverschickung –
eingegraben in die Erinnerungen der Kinder von damals.

Donnergrollen

Frau F. lebt in einem Altenheim. Es ist Hochsommer, ein Gewitter naht, in der Ferne ertönt erstes Donnern. Frau F. schreckt auf und beginnt, so schnell sie kann, loszulaufen. Sie öffnet Türen, suchend und aufgeregt.
Auch Frau L. hört die Donnergeräusche. Sie war zuvor langsam im großen Raum umhergegangen, demenzkrank, in ihrer Welt versunken. Nun bleibt sie plötzlich stehen und verharrt wie eine Statue, unbeweglich an derselben Stelle. Als eine Altenpflegerin sie fragt: „Was ist denn los? Kann ich etwas für Sie tun?“, antwortet sie nicht, sondern schaut starr und flach atmend an der Mitarbeiterin vorbei. Als diese sie berührt, merkt sie, dass die Haut der alten Frau sehr kalt und von einem dünnen Schweißfilm bedeckt ist.

Die beiden Frauen hören keinen Donner, sondern Bombenabwürfe. Sie haben im letzten Kriegsjahr mehrere Bombardierungen im Ruhrgebiet erlebt und erlitten. Durch das Geräusch des Donners wird der Schrecken dieser Zeit wieder lebendig. Frau L. erstarrt, wird regungslos, während Frau F. das macht, was damals alle machten, die überleben wollten: Sie sucht nach einem Keller oder Luftschutzbunker, sie sucht Schutz.

Wie Frau F. und Frau L. geht es vielen alten Menschen.

Bei manchen sind es die Geräusche des Gewitters, bei anderen eine zuschlagende Tür oder eine Sirene – die Auslöser können verschieden sein, aber immer wird der Schrecken der Bombardierungen lebendig, der damals viele Menschen, Erwachsene wie Kinder, getroffen hat.