Sicherheit geben

Äußere „sichere“ Bedingungen können innere Sicherheit schaffen

Sicherheit kann für den einen Menschen schon gegeben sein, wenn die Tür bei der Körperpflege geschlossen ist, so dass die Privatsphäre gewahrt bleibt. Eine andere pflegebedürftige Person wiederum mag sich in der gleichen Situation „eingeschlossen“ fühlen, weil sie sich an ihre Zeit im Luftschutzkeller zurückversetzt fühlt. Sie braucht vielmehr eine offene Tür als „Fluchtmöglichkeit“, um ein Gefühl von Sicherheit zu erlangen. Die äußeren - zum Beispiel räumlichen Bedingungen - die zur Sicherheit beitragen, müssen also individuell gestaltet werden.

Weitere Möglichkeiten, die Sicherheit geben können, sind beispielsweise ein Raumtrenner, der im Doppelzimmer Sichtschutz bietet oder eine einfache Maßnahmen, wie das Anlassen eines Lichtes während der Nacht. Meist wird auch als hilfreich erlebt, wenn die Pflegekraft im Sichtfeld der pflegebedürftigen Person bleibt - und nicht still und leise oder von hinten an ein Bett herantritt.

Selbstwirksamkeit kann zum Sicherheitsgefühl beitragen

Wenn ich als pflegebedürftige Person merke, dass ich beeinflussen kann, was ich zu essen bekomme, entscheiden kann, an welchen Freizeitaktivitäten ich teilnehme, bestimmen kann, zu welcher Uhrzeit ich oder von welcher Person ich gewaschen werde, erfahre ich Selbstwirksamkeit. Wenn ich die Erfahrung mache, dass Pflege auf Wunsch unterbrochen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird, merke ich, dass meine Meinung zählt, ich mitbestimmen darf, was mit mir passiert und die Kontrolle darüber habe. Das reduziert Ohnmachtsgefühle und minimiert somit das Risiko für eine Trauma-Reaktivierung.

Gute Zusammenarbeit im Team

Wenn ein Team sich im Pflegealltag abstimmt und die pflegebedürftige Person weiß, was sie erwartet, weil Pflegeabläufe immer gleich sind, sorgt das für Transparenz und Kontinuität. Gerade bei der Körperpflege ist es außerdem notwendig die Pflegeschritte zu erklären und anzukündigen, um Erlaubnis zu bitten, bevor es zu Berührungen kommt oder auch bei Wärme oder Kälte vorzuwarnen.

Wichtig ist vor allem genau hinzuschauen und bei den Betroffenen oder Angehörigen nachzufragen, welche Bedingungen dazu beitragen, dass sich die betroffenen Menschen sicher fühlen. Beobachtungen und Erfahrungen sollten sorgfältig dokumentiert und dem gesamten Team zugänglich gemacht werden. Auch für die Pflegekräfte selbst sind diese Informationen wichtig: Eine Person zu betreuen, die sich während der Pflege sicher fühlt und sich somit nicht gegen als Bedrohung empfundene Pflegemaßnahmen „wehren“ muss, kann eine enorme Erleichterung im Arbeitsalltag darstellen.

Hilfen zur Re-Orientierung

Wenn Personen, die traumatische Erfahrungen erlebt haben, in akute Über- oder Untererregungszuständen geraten, weil sie durch bestimmte Reize an das Erlebte erinnert werden, können Maßnahmen zur Reorientierung hilfreich sein. Auch dabei gilt: Jede Hilfe funktioniert umso besser, je genauer man weiß, was die betroffene Person braucht um sich sicher im Hier und Jetzt zu fühlen. Wenn sie selbst nicht mehr verbal kommunizieren kann, können eventuell Angehörige Auskunft geben.

Übungen zur Reorientierung – also zum Ankommen im Hier und Jetzt – können Atem- oder Körperübungen, das Anfassen eines Igelballs, ein bestimmter Geruch, eine direkte Ansprache oder auch ein kalter Waschlappen am Handgelenk sein. Jede und jeder empfindet ganz unterschiedliche Reize als hilfreich, daher ist aufmerksames Beobachten wichtig.

Für Übungen zur Reorientierung braucht es oft nur wenig Zeit und wenige bis gar keine Hilfsmittel. Wir laden Sie ein die folgenden Übungen von Lydia Hantke und Hans-Joachim Görges zunächst einmal im Team auszuprobieren:

Atemübung nach Hantke und Görges

  • „Atmen Sie ein paar Mal tief durch“ und mit der oder den anderen mit.
  • Mögliche Verstärkung: „Legen Sie eine Hand auf den Bauch und eine auf die Brust. Und jetzt versuchen Sie, mit Ihrem Atem beide Hände zu bewegen“
  • „Achten Sie darauf, dass Sie immer mal wieder ganz bewusst einen tiefen Atemzug nehmen. Gewöhnen Sie sich daran, das regelmäßig zu tun und unabhängig davon, wie Sie gerade atmen. Wenn Sie feststellen, dass Ihr Atem gerade sehr flach ist, dann tun Sie es erst recht. Und legen Sie dabei ruhig mal eine Hand auf die Brust und den Bauch. Das kann man auch in der Öffentlichkeit tun, kommen Sie wir probieren es gleich mal aus.“

Körperübung nach Hantke und Görges

  • Aufforderung an ihre Übungspartner: „Strecken Sie doch mal kräftig die Arme nach oben und atmen Sie dabei tief ein. Ich mach das einfach mal mit. Beim Lockerlassen atmen Sie wieder aus. Und jetzt ballen Sie ein paar Mal Ihre Fäuste und lassen sie wieder locker. Merken Sie den Unterschied?“

Die Quelle und die ausführliche Anleitung zu den Übungen finden Sie hier:

Hantke, Lydia/Görges, Hans-Joachim (2012): Handbuch Traumakompetenz. Basiswissen für Therapie, Beratung und Pädagogik, S. 220f. Paderborn: Junfermann.

Ein Buch, das übrigens sehr zu empfehlen ist!

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