Auf der Flucht

Nicht weg wollen

Herr N. wollte nicht weg. Nie wollte er weg. Nur seiner Familie zuliebe plante er Urlaube, doch mit jeder Minute, die der Abreisetag näher rückte, wuchs seine Unruhe. Am Tag der Abreise war es ganz schlimm. Er wurde unausstehlich. Natürlich sagte er nicht oder konnte nicht sagen, dass er nicht weg wollte, wenn es nach seinem Herzen und seinen Wünschen ginge. Stattdessen mäkelte er an allem herum, fand nichts, was er mitnehmen sollte, verlegte alles, schuf Chaos und verbreitete schlechte Laune. Seine Frau und seine Kinder dachten, er gönne ihnen den Urlaub nicht. Sie konnten sich sein Verhalten nicht erklären. Als einmal die Familie auf Terschelling Urlaub machte, bekam er Panikattacken und musste mit dem Notarzt von der Insel gebracht werden.

Später, im hohen Alter, begann er von seinen Kriegserfahrungen zu erzählen, über die er bis dahin geschwiegen hatte, so sehr seine Kinder auch nachfragten. Er erzählte, dass er als 17-Jähriger zur Armee nach Russland musste und als einer von zwei Soldaten seiner Kompanie überlebte. In Stalingrad war er eingeschlossen und kam wegen einer Verwundung gerade noch heraus.

Für diesen Mann war die Insel Terschelling Stalingrad. Er war eingeschlossen vom Meer wie früher von der russischen Armee, also geriet er in Panik.

In seinem Wohnhaus hatte er einen Ort der Geborgenheit und des Schutzes gefunden, den er nie mehr verlassen wollte. Die „Reisen“ als Soldat in seiner Jugend reichten ihm fürs ganze Leben - durch Russland, später durch Italien, immer in Todesgefahr, immer unterwegs. Er wollte keine Unruhe mehr, keine Ortswechsel. Allerdings war ihm all dies ebenso unbewusst wie seinen Angehörigen, denn über Kriegserfahrungen wurde lange nicht geredet.